Wer „unbürokratische“ und „schnelle“ Hilfe ankündigt, muss auch entsprechend handeln!
Als wir die Tage nach der verheerenden Flut einige betroffene Gemeinden und Campingplätze aufsuchten, bot sich uns ein Bild des Schreckens.
Wir suchten das Gespräch mit jenen Menschen, die ihr Hab und Gut, ihren Traum verloren. Ein junges Paar auf dem Campingplatz Lehmberg in der Gemeinde Waabs erzählte uns von dem Kredit, den es immer noch abbezahlt.
Sie wohnen in einer kleinen Wohnung in einem Hochhaus und haben sich vor Jahren ihren großen Traum vom eigenen Wohnwagen erfüllt, den sie Monat für Monat durch Fleiß abbezahlen.
Ihr Wohnwagen steht in der hintersten Reihe des Campingplatzes, also nicht etwa privilegiert mit Blick auf die Ostsee. An den Wochenenden verbringen die beiden ihre Zeit ebenso wie ihren Jahresurlaub in Waabs.
Während sie uns ihre Geschichte unter Tränen erzählen, stehen sie mit Gummistiefeln im tiefen Schlamm in ihrem zerstörten Traum. Rundherum das gleiche Bild. Wohnwagen schwimmen im Wasser, ein übler Geruch macht sich bereits breit. Eile ist geboten – überall muss schnell gehandelt werden.
Der Eigentümer sowie der Pächter des kleinen Campingplatzes sind Tag und Nacht dabei, notdürftig einen neuen Wall aufzuschütten – die Solidarität ist groß, überall wird mit angepackt.
In Eckernförde, Damp, Waabs, Schönhagen oder Schubystrand setzen Bürger den großartigen Einsatz der Rettungskräfte aus der Katastrophennacht fort und räumen auf.
Von bundespolitischer Seite sieht man im Katastrophengebiet niemanden. Bereits wenige Kilometer entfernt von den betroffenen Gebieten redet heute schon keiner mehr von der Jahrhundertflut.
Noch vor Kurzem hörten wir vollmundige Versprechungen, dass schnell und unbürokratisch geholfen werden solle. Erinnerungen kommen in uns hoch.
Zur vorletzten Kreistagssitzung stellte unsere Fraktion einen Antrag zur Aussprache über die große Flut. Der Antrag wurde abgelehnt.
Wir hätten unsere Eindrücke aus den betroffenen Gebieten gern schon zu dieser Sitzung geschildert und ebenso gern mit allen Fraktionen ein politisches Zeichen setzen wollen. Dies blieb uns leider verwehrt.
Die Verantwortlichen vom Amt Schlei-Ostsee haben aus unserer Sicht situationsbedingt vollkommen richtig gehandelt. In derartigen Ausnahmesituationen muss man als verantwortlicher Landrat und als verantwortlicher Amtsdirektor Haltung zeigen und vor allem „Arsch in der Hose“ haben, auch wenn die Kritiker hinterher erst einmal laut zu schreien beginnen.
Aktuell geht es nicht um die Kosten für die Entsorgung hunderter Wohnwagen. Hierfür sind die Eigentümer der Wohnwagen zuständig – auch das junge Paar aus dem Hochhaus.
Es geht in der aktuellen Kreistagsdiskussion auch nicht um die Kosten der Wiederherstellung zerstörter Infrastruktur in den Gemeinden und auf den Campingplätzen.
Aktuell geht es um Sperrmüll: Alles das, was angeschwemmt wurde, abgebrochen ist, durch die Gegend geschleudert wurde und nicht in der gelben Tonne oder der Restmülltonne entsorgt werden kann. Sicherlich stammt ein Großteil dieses Sperrmülls von den Campern, anderes von Ferienhäusern oder Booten – niemand weiß das so genau.
Die Campingplatzbetreiber wurden aktiv, sie haben riesige Müllberge aufgetürmt, Container befüllt und den Müll teilweise nach Rohstoffen sortiert.
Während eines Gespräches im Amt Schlei-Ostsee wurde ein wesentlich niedrigerer Betrag für die Entsorgung als zunächst angenommen errechnet.
Auf unsere Frage hin, ob die bei dem Gespräch anwesenden Campingplatzbetreiber bereit wären, einen Teil der Kosten selbst zu tragen, stimmten alle zu.
Die AWR machte deutlich, dass sie die Kosten rein vertragsrechtlich nicht übernehmen darf. Hieran besteht kein Zweifel.
Unmittelbar nach diesem Gespräch baten wir alle im Kreistag vertretenden Fraktionen, unseren WGK-Antrag auf 180.000 € Hilfe für die schnelle Entsorgung des Sperrmülls zu unterstützen. Wir wollten ein Signal senden, dass unsere Solidargemeinschaft funktioniert. Die meisten von uns sind keine Berufspolitiker, wir können noch mit Herz und Verstand Entscheidungen treffen.
Die Verwaltung kündigte an, der Zulassung unseres Dringlichkeitsantrags nicht zu widersprechen. Doch leider stimmte die große Mehrheit der Kreistagsabgeordneten von SPD, CDU, Grünen, SSW und FDP dagegen, dass unser Antrag überhaupt beraten wird. Sie wollten die Dringlichkeit wieder nicht erkennen.
Im Amt Schlei-Ostsee werden 20% des Volkseinkommens durch den Tourismus generiert, im Sommer verdoppelt sich hier die Einwohnerzahl für einige Monate. Tausende Camper leben dann mit den Einheimischen zusammen auf diesem schönen Fleckchen Erde, wo nun so viele Lieblingsplätze zerstört wurden. Sie kaufen in Supermärkten ein, besuchen Restaurants und sichern Arbeitsplätze.
Ja, Eigentum verpflichtet und ja, jedes Jahr wird viel Geld durch den Tourismus erwirtschaftet.
Wie in unserem Antrag beschrieben, sollte es sich um eine einmalige Solidaritätsbekundung gegenüber den Betroffenen handeln – unbürokratisch eben!
Nach der Kreistagssitzung und entsprechenden Artikeln in der Tagespresse, erhielten wir sehr viel Zuspruch, auch von Bürgern, welche die Sitzung über den Livestream verfolgten. Der Tenor war bei fast allen Gesprächen ähnlich:
„Wir haben Eure Signale verstanden!“ UND „Die Anträge kamen wohl von der verkehrten Fraktion!“
Dass nun Grüne und CDU einen Antrag für einen Hilfsfond mit sogar 70.000 € mehr als von der WGK gefordert stellen, bestätigt nur zu gut, was aktuell deutschlandweit stattfindet.